ausstellung

Julia Scher - Hochsicherheitsgesellschaft

bis 20. August 2023 ● Mönchengladbach ● Museum Abteiberg

Julia Schers Stimme ist das erste Werk der Ausstellung. Im Windfang des Museumseingangs spricht sie aus dem Off eines Lautsprechers. Der Text begrüßt und informiert über den Raum, der betreten wird: Es ist ein überwachter Ort. Sobald man ihn betritt, steht man unter Beobachtung. Gewarnt wird vor den Kameras, die alles an diesem Ort erfassen, im beschwichtigend verführerischen Tonfall einer höheren Kraft aus dem Off: „Don’t worry“, seien Sie unbesorgt.

Die Künstlerin zählt zu jenen, die die Macht der digitalen Medien und das von ihnen perfektionierte Phänomen der Überwachungsgesellschaft sehr früh diagnostizierten. Diese Auseinandersetzung begann noch vor „Big Brother“ oder „The Truman Show“. Geradezu prophetisch antizipierte sie damit die Entwicklung hin zu unserer heutigen Gesellschaft, in der die permanente Erfassung persönlicher Daten Normalität geworden ist. Sie zeigte den Anfang unserer heutigen Gegenwart auf, als sie in den 1990er Jahren die Technologie von Kamera- und Audioüberwachungssystemen in Kunsträumen installierte. Mechanismen der Kontrolle, der Macht, der Manipulation und auch der Beschwichtigung wurden damit vorgeführt.

Mit der Live-Schaltung dieser Geräte, Schers eigener Stimme, Inszenierung oder auch lokaler Einbeziehung des Aufsichtspersonals kreierte sie manipulative Situationen, die das Publikum einer Ausstellung in die Suggestion führte, beobachtet und kontrolliert zu werden. Sie baut suggestive, seherische Räume, die von frühdigitalen Kontrollsystemen mit Kameras und Monitoren bis zu komplexen Datenabgreif- und Abhörsystemen in Smartphones, Siri oder Alexa reichen. Die Werke zeigen das Überwachen und Strafen, den Zusammenprall von Lust und Kontrolle in einer Hochsicherheitsgesellschaft (Maximum Security Society), die der Soziologe Gary T. Marx als unsere Gegenwart definiert: Es ist eine Gesellschaft, die diese Technologien genießt und liebt, dabei den Kontrollverlust und das Geschäft mit den persönlichen Daten billigend in Kauf nimmt.

Zu erleben ist eine multimediale Arbeit in Malerei, Skulptur, Video und Audio, Performance, mit Projekten in Clubs und im Internet, die sich aus den Veränderungen der Gegenwart entwickelt hat, dem Cyber Space, in dem Identität nicht mehr aus dem individuellen Menschen, sondern aus Daten
definiert wird. Das Werk von Scher ist heute als eine der zentralen Positionen in den kunst- und medienkritischen Diskursen seit den 1990er Jahren zu betrachten, für unsere Gegenwart hochaktuell und zugleich eine Entdeckung.

museum-abteiberg.de

Bildunterschriften und /-nachweise:

1. Julia Scher in ihrer Installation Information America, 1995, Museum of Modern Art, New York, Foto: Hollis Johnson

2. Ausstellungsansicht, JULIA SCHER Hochsicherheitsgesellschaft, Museum Abteiberg Mönchengladbach, Foto: Achim Kukulies

3. Ausstellungsansicht, JULIA SCHER Hochsicherheitsgesellschaft, Museum Abteiberg Mönchengladbach, Foto: Achim Kukulies

4. Julia Scher, Papa Bed, 2003, Exhibition view Julia Scher, Maximum Security Society, Kunsthalle Zurich, 2022–23, Courtesy the artist and Esther Schipper, Berlin/Paris/Seoul Foto: Andrea Rossetti

5. Ausstellungsansicht, JULIA SCHER Hochsicherheitsgesellschaft, Museum Abteiberg Mönchengladbach, Foto: Achim Kukulies