ausstellung

yours truly,

bis 29. Oktober 2023 ● Leverkusen ● Museum Morsbroich

Von der Warte des Kunstwerks aus ist die Betrachter:in eine Gegenwarte. Gegenwart ereignet sich im Hier und Jetzt zwischen einem Ich und einem Du, auch zwischen Kunstwerk und Betrachter:in. Ein künstlerisches Werk besitzt aufgrund seiner Offenheit die Fähigkeit, sich an alle, die es betrachten, auf ganz individuelle Art zu richten. Inwieweit sind die Betrachtenden dazu bereit sich ästhetisch berühren, emotional bewegen, sich geistig inspirieren oder in Ihrem Selbst- und Weltverständnis irritieren zu lassen?

Vor dem figurativen Werk einer Einzelfigur ist es ein Leichtes, sich selbst ins Verhältnis zu setzen. Im Falle eines konkreten, dezidiert ungegenständlichen Werkes scheint das ganz anders. Aber auch diese Werke provozieren Anschauungserfahrungen, die bezogen auf das betrachtende Gegenüber existentiell werden können.

yours truly, möchte zu einem Anregungsraum werden, in dem sich jeder die Frage nach dem ‚Ich‘ immer wieder neu stellt. ›ES BRAUCHT EIN ICH UM WIR ZU SAGEN,‹. Diesen Halbsatz der Lyrikerin Barbara Köhler begreifen wir als ein grundlegendes Motto. Der Satz endet keinesfalls zufällig mit einem Komma. Er öffnet den Lesenden einen Raum für ein Weiterschreiben und -denken. Es geht nicht um eine weitere Feier des unsere Gesellschaften bedrohenden Egoismus, sondern um andere, sinnliche Formen der Frage nach dem Ich: Wieviel Du steckt im Ich? Was sind zentrale Qualitäten eines ‚Ich‘, die den Menschen für welche Zukunft fähig machen? Sind es Empathie und Offenheit, Neugier und Unvoreingenommenheit, Selbstannahme und Verletzlichkeit, Zuversicht und Freude, Leichtigkeit und Leidenschaft, Mut und Angst? Welche Rolle spielen Herkunft, Bildung und kulturelle Prägung? Wann ist ein Ich ein starkes Ich? Und welche Rolle spielen Körper und Sinnlichkeit?

Kann ein Museum für Gegenwartskunst ‚wirklich Deins‘ sein? Was verändert sich, wenn die Besucher zulassen, dass die Werke der Kunst, sie selbst adressieren? Was, wenn ein Museum seine Gäste ‚freundlich grüßt‘? Und wie verändert sich für die Gäste ihr Verhältnis zum Kunstwerk, wenn eine Inszenierung konsequent die Frage nach dem jeweiligen ‚Ich‘ des Gastes stellt?

Ein Gefüge aus ca. vierzig Werken von ebenso vielen Künstler:innen, das sich über ein halbes Jahr in ständiger Bewegung befinden soll. So werden immer wieder neue Nachbarschaften von Werken entstehen, zu denen sich die Besucher:innen immer wieder neu verhalten und positionieren müssen.

morsbroich.de

Bildunterschriften und /-nachweise:

1. Cihan Çakmak, em fraktal, 2021, C-Print, Courtesy the artist © Cihan Çakmak

2. Pamela Rosenkranz, Anamazon (Heating Seat), 2021, Medium und Pigmente auf Spiegel, 150 × 95 cm, Courtesy the artist and Sprüth Magers © Pamela Rosenkranz

3. Vajiko Chachkhiani, Life Track, 2014, Single channel HD video, 3.33 min, Courtesy the artist, Scai the Bathhouse, Tokyo © Vajiko Chachkhiani

4. Joëlle Dubois, Lollypop, 2018, Acryl auf Holz, 60 x 50 cm Privatsammlung Köln, Courtesy Thomas Rehbein Galerie © Joëlle Dubois

5. Michaël Borremans, Untitled, 2008, Öl auf Leinwand, 42 x 36 cm Privatsammlung, Courtesy Zeno X Gallery, Antwerpen © Michaël Borremans; Foto: Peter Cox