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41. Förderpreisausstellung der Freunde der Kunstakademie Münster
Bis 23. November 2025 ● Münster ● Kunsthalle Münster
Die Förderpreisausstellung ist ein besonderes Ausstellungsformat, das keinen thematischen Vorgaben folgt. Vielmehr kann sie als eine Plattform gesehen werden, die es den Studierenden der Kunstakademie Münster ermöglicht, ihre Arbeiten in den Räumlichkeiten der Kunsthalle Münster einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Entsprechend der 13 Klassen werden in der Ausstellung unterschiedliche Schwerpunkte und verschiedene Medien, wie Malereien, Skulpturen, Zeichnungen, Installationen und Videos, zu sehen sein.
Zum 41. Mal findet die Förderpreisausstellung der Freunde der Kunstakademie Münster statt, die insgesamt 13 künstlerische Positionen zeigt. Aus den diesjährigen künstlerischen Positionen zeichnet die Jury folgende drei Preisträger:innen aus: Mannan Atasoy, Zahraa Khanafer & Suyeon Prana Kim
Mannan Atasoys Installation erinnert an ein noch nicht verlegtes Kopfsteinpflaster oder an einen Weg aus Seifen- und Steinblöcken, in den poetische Texte und kulturelle Verweise eingelassen sind. Auf dem Boden sind Sätze wie „TO SEE WHERE THERE IS NO LIGHT“ oder „TO WALK WHERE THERE IS NO PATH“ zu lesen. Zwischen den weißbraunen Blöcken, die wie zum Trocknen ausgelegte Seifenstücke wirken, entstehen Zwischenräume, in denen kulturelle Fragmente von Sprache und Zeichen auftauchen. Bei der Bodeninstallation „bodies out of place“ arbeitet er mit Blöcken aus Aleppo-Seife – einer Naturseife aus Oliven- und Lorbeeröl, die in Syrien und den angrenzenden Regionen als Symbol für Reinheit, Handwerk und kulturelle Kontinuität gilt. Dieses seit Jahrhunderten hergestellte Material trägt ein Erbe, das von Migration, Erinnerung und Übersetzung erzählt. Zwischen den Seifenblöcken öffnen sich Leerstellen, in denen poetische Texte erscheinen. Sie erinnern an Wegmarken, die von Bewegung, Verlust und Neubeginn sprechen. Die Fragmente deuten Routen an, die sich verlaufen oder neu formieren, und werden zu einem Bild für Übergänge zwischen Sprachen, Kulturen und persönlichen Geschichten. Die Ambivalenz des Materials ist zentral: Einige Blöcke bestehen aus Seife, andere aus Gips oder aus einer Mischung beider Stoffe. Diese Unsicherheit wird durch das wackelnde Schriftbild zum Sinnbild fragiler Identitäten und für das Ringen um Sprache und Ausdruck in Momenten, in denen kaum Raum zum Sprechen bleibt. Atasoy überzeugt durch den präzisen Einsatz kultureller Symbole, die Verbindung von poetischer Sprache und ambivalentem Material sowie durch seine sensible Auseinandersetzung mit Fragen nach kultureller Identität und dekolonialen Prozessen. Besonders die Sprache in seiner Installation erzeugt eine poetische Spannung zwischen Sichtbarkeit und Verstummen. Die Aleppo-Seife ist ein zentrales Objekt der Erinnerung und kultureller Zuschreibung und wird zum Träger einer geteilten Geschichte zwischen Syrien und Deutschland, zwischen Herkunft, Krisen und Neubeginn.
Zahraa Khanafers Arbeit lässt verschiedene Zugangspunkte zu, welche mit womöglich sehr unterschiedlichen Assoziationen und emotionalen Räumen einhergehen. Sie stellt die Frage inwieweit Objekte Implikationen jenseits ihrer Situiertheit in sich tragen können und ob es einen Raum gibt, in dem sie nicht immer Artefakte, ihrer soziokulturellen Umgebung sind. Die ornamental anmutenden Muster und konkreten Labels der am Boden platzierten Textilien insinuieren vermeintlich spezifische Bezüge, simultan entziehen sie sich durch ihre rohlingsartige Formensprache und werden zu symbolisch wirkenden Platzhaltern. Das Kopftuch als politisiertes Textil wird in der Arbeit von Zahraa Khanafer vom Osten, aber eigentlich von hier, und vom Aushalten, aber eigentlich nicht mehr können zu einem Container, um über Machtverhältnisse und Resilienz zu sprechen. Besonders aufgefallen ist Khanafers Arbeit auch durch ihre präzise Installation: der üblicherweise Transitraum vor der Kunsthalle wird eine Membran, eine eigene Örtlichkeit, welche sowohl über Schwellen und Zuschreibungen als auch über die Möglichkeit zur Raumnahme und Neuausrichtung aus einer marginalisierten Position heraus spricht, um Neuverhandlung gesellschaftlicher Konventionen zu gestalten.
Suyeon Prana Kims Werk schließt an aktuelle Diskurse an und eröffnet Anknüpfungspunkte für persönliche Erfahrungen. Die Arbeit lädt dazu ein, in eine tiefgehende, künstlerische Recherche einzutauchen, Platz zu nehmen und neue Perspektiven zu erschließen. Eine große Qualität der Arbeit liegt im poetischen Umgang mit den unterschiedlichen Materialitäten, die in einer feinstofflich-skulpturalen Installation zusammenkommen. Aus lyrischer Sprache, Elementen unterschiedlicher Haptiken und Texturen – von zarter Seide bis kühlem Stahl – und rituellen Objekten entsteht ein vielschichtiger Resonanzraum. Die Arbeit erlaubt ein Sich-in-Bezug-Setzen: zu uns selbst, aber auch übergeordnete Themen wie Abschied, Erinnerung, zwischenmenschliche und nicht-menschliche Beziehungen, Umwelt und Kosmos. Überzeugt hat letztlich die Kohärenz zwischen Inhalt und Form.
Bildunterschriften und /-nachweise:
1. Suyeon Prana Kim "Nachkommen von Sternenasche" 2025, Installation aus Stahl, Glas, Edelstahl, Zink, Modelliermasse, Keramik, Epoxitharz, Holzstaub, Stoff, Papier, Grapefruits, Stein, Faden, Samen © Foto: Kunstakademie Münster / Hyesung Ryu
2. Mannan Atasoy "bodies out of place" 2025, Gips, Seife, Schrift © Foto: Kunstakademie Münster / Hyesung Ryu
3. Zahraa Khanafer "vom osten, aber eigentlich von hier, und vom aushalten, aber eigentlich nicht mehr können" (Raute No. 1, Raute No. 2, Blätter No. 1, Blätter No. 2, Dach No. 1, Dach No. 2, Dach No. 3, Botanischer Garten No. 1, Botanischer Garten No. 2, Blume, Schleuse), 2025, Bodeninstallation aus Kopftüchern © Foto: Kunstakademie Münster / Hyesung Ryu
4. Suyeon Prana Kim "Nachkommen von Sternenasche" 2025, Installation aus Stahl, Glas, Edelstahl, Zink, Modelliermasse, Keramik, Epoxitharz, Holzstaub, Stoff, Papier, Grapefruits, Stein, Faden, Samen © Foto: Kunstakademie Münster / Hyesung Ryu
5. Suyeon Prana Kim "Nachkommen von Sternenasche" 2025, Installation aus Stahl, Glas, Edelstahl, Zink, Modelliermasse, Keramik, Epoxitharz, Holzstaub, Stoff, Papier, Grapefruits, Stein, Faden, Samen © Foto: Kunstakademie Münster / Hyesung Ryu