ausstellung

Hilma af Klint & Wassily Kandinsky - Träume von der Zukunft

Bis 11. August 2024 ● Düsseldorf ● K20 - Kunstsammlung NRW

Die Ausstellung zu Hilma af Klint und Wassily Kandinsky ist eine Premiere. Obwohl die Künstlerin und der Künstler seit einigen Jahren häufig in einem Atemzug genannt werden, trafen ihre Werke bisher nur vereinzelt im Rahmen großer Gruppenausstellungen aufeinander. Zum ersten Mal werden sie dialogisch gegenübergestellt. Ausgangspunkt ist die Abstraktion, zu deren Entwicklung in der westlichen Malerei beide entscheidende Beiträge geleistet haben. Die Gegenüberstellung bietet die Möglichkeit, die Werke wechselseitig zu erhellen.

Die längste Zeit hat die Kunstgeschichte das Oeuvre von af Klint und Kandinsky auseinandergehalten. Im Rampenlicht stand der berühmte russische Maler, der in München den „Blauen Reiter“ mitbegründete, zur Abstraktion fand, am Bauhaus lehrte und mit „Über das Geistige in der Kunst“ eine der einflussreichsten programmatischen Schriften des 20. Jahrhunderts veröffentlichte.

Im Schatten dagegen verschwand die unbekannte schwedische Künstlerin, die in Stockholm riesige ungegenständliche Bilder malte, die wenigsten davon ausstellte und Tausende unveröffentlichte Seiten Text hinterließ.

Während af Klint und Kandinsky zu Lebzeiten häufig ähnliche Vorstellungen mit ihrer Malerei verbanden, traten ihre Werke nach dem Tod Nachleben an, die unterschiedlicher nicht hätten sein könnten. Hilma af Klints Leinwände landeten zusammengerollt in Kisten auf dem Dachboden ihres Neffen in Stockholm. Die Malerin selbst hatte verfügt, dass sie erst zwanzig Jahre nach ihrem Tod wieder gezeigt werden dürften.

Kandinskys Gemälde tourten nach dem Zweiten Weltkrieg in zahlreichen Ausstellungen um die Welt. Sein Name und die Abstraktion verschmolzen miteinander und begründeten eine Erfolgsgeschichte. Der Kalte Krieg stellte die Weichen. Ungegenständlich zu malen galt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Inbegriff einer Freiheit, die der Westen bot und der Osten verbot. Als in Westdeutschland die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zur neuen Nationalgalerie unweit der Hauptstadt Bonn aufstieg, wurden Schlüsselwerke von Kandinsky angekauft. Sie standen am Beginn des abstrakten Kanons.

Der internationale Durchbruch kam für af Klint im 21. Jahrhundert. Spätestens als das Guggenheim Museum eine Retrospektive ausrichtete, stieg auch die Schwedin zu einem Star der Kunstgeschichte auf. Unter Künstlerinnen und Künstlern der Gegenwart zählten ihre Werke längst zu den am häufigsten genannten Inspirationsquellen. Nun war sie auch einem großen Publikum bekannt.

Die Ausstellung nimmt Ähnlichkeiten und Unterschiede in den Blick. Sowohl af Klint als auch Kandinsky durchliefen eine akademische Ausbildung, bevor sie zur abstrakten Malerei übergingen. Die Malerin und der Maler beschäftigten sich ein Leben lang mit den naturwissenschaftlichen Umwälzungen ihrer Zeit. Sie vereinte die Lektüre von Büchern, in denen die Entdeckungen in Physik und Chemie als Zeitenwende beschrieben wurden.

Beide arbeiteten in Gemeinschaften. Kandinsky hatte mit Franz Marc den „Blauen Reiter“ gegründet, später schloss er sich dem Bauhaus in Weimar und Dessau an. Af Klint befand sich im Zentrum von wechselnden Frauenkollektiven, die zum Teil beim Malprozess mithalfen. Zu den wichtigsten Personen zählten die Malerin Anna Cassel und die Kranken-schwester Thomasine Anderson, deren Arbeiten Teil der Ausstellung sind.

Im Jahre 1915 kam Kandinsky nach Stockholm, wo er auch ausstellte. Eine Begegnung mit af Klint ist nicht überliefert. Allerdings kann es als wahrscheinlich gelten, dass die Malerin von der Ausstellung wusste. Gezeigt wurden von Kandinsky sowohl gegenständliche als auch abstrakte Werke. Eines der Gemälde verarbeitete die Legende vom Heiligen Georg, der auch auf dem Almanach des „Blauen Reiter“ abgebildet worden war. Die Figur nahm in af Klints Schaffen ebenfalls eine wichtige Rolle ein: Sie fand Eingang in die Serie „Die Taube“ und trat als Alter Ego in den Notizbüchern auf. Auch dieser verblüffende Parallele widmet die Ausstellung einen Raum.

Zu den Unterschieden zählen die weit auseinanderliegenden Vorstellungen, was die Verbreitungswege der Kunst anbetrifft. Kandinsky nutzte ein Netz von verschiedenen künstlerischen Gruppen, Museen, Institutionen, Verlagen, Galerien, Sammlerinnen und Sammlern. Af Klint dagegen plante einen Tempel, der alle ihre Werke vereinen sollte. Darüber hinaus verstand sie sich als Medium und ließ ihre Bilder unsigniert. Beide wollten mit der Abstraktion jedoch nicht nur einen neuen Stil schaffen. Sie verstanden ihre Malerei als Beginn einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung, zu der die Kunst den Weg wies.

kunstsammlung.de

Bildunterschriften und /-nachweise:

1. Wassily Kandinsky, Komposition X, 1939, Öl auf Leinwand, 130 x 195 cm, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Foto: Achim Kukulies

2. Hilma af Klint, Die Zehn Größten, Gruppe IV, Nr. 7, Das Erwachsenenalter, 1907, Tempera auf Papier, auf Leinwand montiert, 315 x 235 cm, The Hilma af Klint Foundation, Foto: The Moderna Museet, Stockholm, Schweden

3. Wassily Kandinsky, Im Blau, 1925, Öl auf Pappe, 80 x 110 cm, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Foto: Achim Kukulies

4. Hilma af Klint, Der Schwan, Serie SUW, Gruppe IX: Teil 1, Nr. 17, 1915, Öl auf Leinwand, 150,5 x 151 cm, The Hilma af Klint Foundation, Foto: The Moderna Museet, Stockholm, Schweden

5. Hilma af Klint, Altarbild, Gruppe X, Nr. 1, 1915, Öl und Metallblätter auf Leinwand, 237,5 x 179,5 cm, The Hilma af Klint Foundation, Foto: The Moderna Museet, Stockholm, Schweden

6. Wassily Kandinsky, Komposition No. 350 (Hommage à Grohmann), 1926, Öl auf Leinwand, 35,3 x 24,1 cm, Staatsgalerie Stuttgart, bpk/Staatsgalerie Stuttgart

7. Hilma af Klint, Baum der Erkenntnis, Serie W, Nr. 5, 1915, Aquarell, Gouache, Bleistift und Tusche auf Papier, 45,8 x 29,5 cm, The Hilma af Klint Foundation, Foto: The Moderna Museet, Stockholm, Schweden