ausstellung

Human Work – Junge Kunst aus Münster

Bis 05. Oktober 2025 ● Düsseldorf ● KIT - Kunst im Tunnel

Die Künstler:innen dieser Ausstellung haben sich mit dem Menschsein in unserem von Mensch und Technik geprägten Zeitalter auseinandergesetzt. Zeit- und Raumerfahrungen, Verdrängung und Erinnerung, Privilegien und Benachteiligungen aufgrund von Hautfarbe und Geschlecht, der Umgang mit Krankheiten und alte und neue Arbeitswelten werden mittels Fotografien, in Videos und Installationen thematisiert. Spannungen zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Produktion und Erschöpfung, Zugehörigkeit und Entfremdung werden ausgelotet und legen offen, dass unser Dasein bestimmt ist von Arbeit und diese Arbeit kein Selbstzweck ist. Mit ihr einher gehen Hierarchien und Beziehungen: Wer arbeitet für wen oder was? Arbeiten Computer für uns? Arbeitet unser Körper gegen uns? Ist die Corporation unsere neue Familie?

Yedam Ann beschäftigt sich in ihrer Kunst mit dem Erleben von Mobilität, Machtverhältnissen und Zugehörigkeit in städtischen Räumen, besonders unter dem Einfluss globaler Kommunikations- und Transporttechnologien. Ihre Arbeiten thematisieren, wie sich das Gefühl von Ort durch digitale und physische Vernetzung verändert.

In der Installation „Hotel.hotel.net“ zeigt sie eine Zukunft mit Überschallreisen, in der Hotels und Flugzeuge zu anonymen Nicht-Orten verschmelzen. „Different Floors“ thematisiert die Entkopplung der menschlichen Existenz vom physischen Ort und kritisiert die Reduktion des Individuums auf Daten.

Die fiktive Firma „Nichts Corporation“ hinterfragt die Beziehung von Nicht-Orten, dem Verlust der Individualität und der Datafizierung. In „A Building with Revolving Door but Only Stairs“ dient eine Drehtür als symbolisches Portal zwischen Kulturen und sozialen Klassen, unterstützt durch Lichtprojektionen aus der Berliner U-Bahn.

Zauri Matikashvili arbeitet mit minimaler Technik und übernimmt viele Aufgaben selbst, um größere Nähe zu den Porträtierten zu schaffen und dabei seine Rolle als Regisseur kritisch zu reflektieren.

Im KIT zeigt er zwei persönliche Werke: „You May Not Want To Be Here“ ist eine Video-Installation, dass eine fast poetische Auseinandersetzung mit seinem Tumor ist. „Wie bist du so schnell gewachsen? Was hat dich genährt? Ich habe dich nicht kommen sehen – ich frage mich, was du vorhast ... Vor wenigen Augenblicken warst du noch nicht da. Nichts als eine Idee, ein Code für ein anderes Werden. Und jetzt? So groß, so schnell, so wunderbar. Und stark - so, so stark!“

Die Filminstallation „Made in Europe“ dokumentiert die Reisen seines Vaters, der aus alten Kleintransportern und westlichem Sperrmüll in harter Arbeit ein Auskommen in Georgien sichert. Dabei trifft die bescheidene, traditionelle Pflichterfüllung seines Vaters auf die veränderten Werte des Künstlersohnes.

„Kaskaden“ von Jakob Schnetz und Rebecca Ramershoven untersucht, wie Technologie und ästhetische Normen die Fotografie beeinflussen. Drei Modelle mit unterschiedlicher Hautfarbe wurden unter gleichen Bedingungen fotografiert, die Rohdaten mit 14 RAW-Convertern bearbeitet. Die Ergebnisse zeigen starke Unterschiede – digitale Bilder sind also nicht objektiv. Die Arbeit thematisiert auch die soziopolitischen Wirkungen technischer Entscheidungen, besonders in Bezug auf Sichtbarkeit von Körpern und Hautfarbe.

Jakob Schnetz’ „Speicherlandschaft I und II“ zeigt Screenshots fehlerhafter Bildladevorgänge, die durch gezielte Störungen entstanden sind. Die daraus resultierenden abstrakten, farbintensiven Bilder erinnern an Landschaften und machen Zufallsdaten und Bildfragmente sichtbar. Schnetz erhebt die so entstandenen Bilder in den Status eigenständiger neuer Bilder.
Die Serie „Relikte der Zukunft“ dokumentiert angeschwemmten Müll an Spitzbergens Stränden. Rund 23.000 Teile wurden im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts gesammelt. Schnetz fotografierte im Auftrag der ZEIT 100 dieser Fundstücke aus Kunststoff und anderen Materialien.

Das Text-Bild-Dyptichon „Mimic (After Jeff Wall)“ ist eine von einem großen Sprachmodell (LLM) erstellte Bildbeschreibung der Fotografie „Mimic“ von Jeff Wall. Anhand des von der künstlichen Intelligenz erzeugten Textes wurde anschließend mit einem Diffusionsmodell das vorliegende Bild ausgegeben, das indirekt Jeff Walls "Mimic“ nachahmt. „Mimic" ahmte seinerzeit wiederum einen dokumentarfotografischen Stil nach, allerdings handelte es sich bei seinem Bild um eine inszenierte Rekonstruktion einer persönlichen Beobachtung.

Sind Dokumentationen objektiv, sind sie wahrhaftig? Schon die Entscheidung, wohin ein Fotograf oder Filmemacher seine Kamera stellt, welches Licht, welche Linse er wählt, ist eine subjektive und damit seine Gestaltung der Wirklichkeit. Jan Niklas Thape hinterfragt in seiner Arbeit die Objektivität von Dokumentationen und unsere Wahrnehmung von Realität. In „Untitled“ setzt er sich mit der deutschen Erinnerungskultur und der aktuellen Antisemitismus-Debatte auseinander, indem er historisches Fernsehmaterial neu kontextualisiert. Wir, die Zuschauer:innen werden aktiv in die Auseinandersetzung einbezogen: Fühlen wir uns als passive Beobachter:innen der Vergangenheit oder stellen wir uns den unbequemen Bildern und Worten im Jetzt. So haben einige der Stühle keine Sitzflächen; auf ihnen können wir uns nicht ausruhen, können nur am Rande „Platz nehmen“ und vielleicht nachfühlen, was es heißt, nicht wirklich willkommen zu sein.

In seiner Installation „Speakers Corner“ wirft Jan Niklas Thape einen Blick hinter die Kameras anderer und dokumentiert die berühmte Rednerecke im Londoner Hyde Park. Dort erlebt er eine von religiösen Debatten geprägte Atmosphäre. Die Arbeit zeigt den Kontrast zwischen echter, unmittelbarer Begegnung und der inszenierten, medial verbreiteten Selbstdarstellung durch Streamer für ein digitales Publikum.

kunst-im-tunnel.de

 

Bildunterschriften und /-nachweise:

1. Installationsansicht Yedam Ann, Hotel.hotel.net, 2024 KIT – Kunst im Tunnel, 2025 © Foto: Ivo Faber

2. Installationsansicht Zauri Matikashvili, 2025 KIT – Kunst im Tunnel, 2025 © Foto: Ivo Faber

3. Zauri Matikashvili, Made in Europe, 2023, Filmstill

4. Jakob Schnetz, Speicherlandschaft, 2017

5. Installationsansicht Jan Niklas Thape, Untitled, 2025 KIT – Kunst im Tunnel, 2025 © Foto: Ivo Faber