ausstellung

K21 Global Art Award – Wang Tuo

24. Mai bis 31. August  2025 ● Düsseldorf ● Kunstsammlung NRW – K21

Wang Tuos zweiteilige Video-Installation „The Second Interrogation“ ist ein generationsübergreifendes Gespräch über die Voraussetzungen des Kunstschaffens. Es geht um die Freiheit der Kunst, um die Freiheit der Kunstschaffenden, aber auch um die Gebundenheit an die jeweilige historische und politische Situation. Ist die Kunst aus der Situation zu erklären, oder definiert die Kunst die Situation neu? Ist sie also lediglich Spiegel ihrer Zeit, oder Motor der gesellschaftlichen Entwicklung? Wang Tuo diskutiert diese sehr grundsätzlichen Fragen aus seiner eigenen Perspektive, das heißt aus der Perspektive eines im China der Gegenwart arbeitenden Künstlers.

Dazu bedient er sich im ersten Teil zweier fiktiver Figuren: Eines erfolgreichen chinesischen Gegenwartskünstlers und eines langjährigen Mitarbeiters der staatlichen Zensurbehörde. Zwischen beiden entspinnt sich ein Gespräch, in dem sich zeigt, dass beide auf ihre Weise Experten für die gegenwärtige Kunstpraxis sind. Aufgrund ihrer jeweiligen Rollen im System erscheinen die unterschiedlichen Positionen der Protagonisten auf den ersten Blick klar verteilt. Erst im Laufe des Gesprächs zeigt sich jedoch, dass es der Künstler ist, der seine Kunst – auch wenn sie zuweilen kritisch erscheint – in den Dienst der Stabilisierung des gesellschaftlichen und politischen Systems stellt. Der Zensor hingegen erweist sich als der eigentlich gesellschaftskritische Part im Gespräch, der auf einer Freiheit der Kunst besteht und ihr zubilligt, die Gesellschaft nicht nur zu stabilisieren, sondern sie zu verändern. Der Künstler scheint hier zum Zensor zu werden und der Zensor zum Anwalt der Kunst.

Im zweiten Teil sieht man den fiktiven Künstler bei der Arbeit an einer zeitgenössischen Neu-Interpretation einer Performance-Reihe. Diese Performances fanden im National Art Museum von Beijing im Rahmen der Ausstellung „China/Avant-Garde“ statt. Die Behörden schlossen die Ausstellung, für die sie explizit keine Performancekunst zugelassen hatten, unverzüglich, nachdem die Künstlerin Xiao Lu zwei Mal mit einer Pistole auf ihre eigene Arbeit geschossen hatte. In einem parallel erzählten Plot unterhalten sich die Geister zweier zu unterschiedlichen Zeiten verstorbener Künstler über die Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart. Das Jahr 1989 wird so zum Kulminationspunkt der Arbeit. Es markiert sowohl den Beginn einer rigideren Beschneidung der Freiheit der Gegenwartskunst, als auch das jähe Ende der Demokratiebewegung in Peking.

Während Wang Tuos vorhergehende Videoarbeit „The Interrogation“ tatsächlich polizeiliche Verhörtechniken zum Thema hatte, geht es bei „The Second Interrogation“ um einen internen Prozess der Selbstbefragung des Kunstsystems. Das Spiel mit den unterschiedlichen Ebenen, auf denen die Protagonisten ihre Rollen einnehmen, mag einerseits stark vom aktuellen gesellschaftlichen Klima in China geprägt sein. Die Frage jedoch, inwieweit Kunstschaffende ihre Motive ehrlich offenlegen, inwieweit sie Gesellschaftskritik tatsächlich üben oder nur spielen, betrifft andererseits das gesamte Feld der internationalen Gegenwartskunst. Und auch hier lässt sich die Frage stellen, ob und in welcher Form ein Kunstschaffender lediglich innerhalb des Kunstsystems agiert, oder ob er oder sie dessen Grenzen überschreitet. Ob seine oder ihre Kunst also lediglich ein Spiegelbild der historischen Situation ist, oder ob sie eine neue Situation definiert – ob sie also einen Unterschied macht oder nicht.

kunstsammlung.de

Bildunterschriften und /-nachweise:

1.  bis 4. Wang Tuo "The Second Interrogation" Filmstill