ausstellung
Marina Abramović und MAI
13. Juli bis 26. Oktober 2025 ● Bedburg-Haus ● Museum Schloss Moyland
Zum ersten Mal tritt die international renommierte Künstlerin Marina Abramović mit dem Marina Abramović Institute (MAI) in einen direkten künstlerischen Dialog mit dem Erbe von Joseph Beuys, einem der einflussreichsten Wegbereiter der Aktionskunst. Zugleich ist es das erste Mal, dass sich das MAI und die beteiligten Künstler:innen in einem langfristigen Projekt mit den Beständen einer sammelnden Institution auseinandersetzen.
Bereits 2005 reinterpretierte Abramović Beuys‘ ikonische Performance „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ im New Yorker Guggenheim Museum. Die Ausstellung bringt nun die Dokumentation der beiden Inszenierungen zusammen und präsentiert sie im Kontext historischer Plastiken, Archivmaterialien und Zeichnungen von Beuys aus der Sammlung. Es stellt die beiden Inszenierungen erstmals direkt gegenüber. Während Beuys als Mann aus der deutschen Kriegsgeneration einst die Bilder dem Hasen „erklärte“, wird diese Aufgabe nun von einer Frau und Künstlerin der Nachkriegsgeneration aus dem kommunistischen Jugoslawien aufgegriffen. So entsteht die einmalige Möglichkeit, die symbolische Bedeutung des toten Hasen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zu erleben.
Joseph Beuys hat seit den 1960er Jahren entscheidend zur Entwicklung der Performancekunst beigetragen. Indem er seine skulpturalen Arbeiten erweiterte und den eigenen Körper als Medium nutzte, ebnete er den Weg für nachfolgende Künstler:innengenerationen. Marina Abramović, Ulay und zahlreiche mehr stehen in dieser Linie und entwickeln sie weiter.
Im März war im Rahmen eines interdisziplinären Residenzprogramms eine Gruppe von dreizehn internationalen Performance-Künstler:innen eingeladen, Beuys’ künstlerische Herangehensweisen zu erforschen und neue ortspezifische Performances für das Museum Schloss Moyland zu entwickeln. Während der Ausstellung sind die Performances im Schloss und im Park des Museums zu sehen. Die Ausstellung erweitert somit den Rezeptionsrahmen der künstlerischen Arbeiten sowohl von Beuys als auch Abramović und bietet neue Perspektiven auf die Schnittstellen von Performance, Aktionskunst und Archivforschung. Mit ihren individuellen Perspektiven, kulturellen Erfahrungen und performativen Ansätzen setzen sich die Künstler:innen mit dem Denken von Joseph Beuys auseinander und übertragen seine Impulse in einen zeitgenössischen Kontext. Dabei entstehen Performances, die nicht nur den Beuys-Bestand des Museums auf völlig neue Weise aktivieren, sondern auch eine unmittelbare, lebendige Interaktion zwischen Kunst, Ort, Raum und Besucher:innen schaffen.
So interessiert sich Sandra Johnston speziell für die Verbindungen, die Beuys nach Irland unterhielt, wo er zum Aufbau der zeitgenössischen Kunstszene entscheidend beitrug. Martin Toloku beschäftigt sich mit ritualistischen Handlungen in Beuys‘ Schaffen. Michelle Samba richtet den Blick auf Beuys‘ Institutions- und Verwaltungskritik und verbindet dies mit ihrer eigenen Biografie. In seinen feinsinnigen Reflexionen über den Körper in der Natur bringt Eşref Yıldırım poetisch-performative Ebenen zum Vorschein. Luisa Sancho-Escanero, Evan Macrae Williams und Yan Jun Chin vom Pfalztheater Kaiserslautern zeigen ebenfalls ein großes Interesse an Körperlichkeit – insbesondere an den tänzerischen Elementen in Beuys‘ zeichnerischem und performativen Werk. In der Arbeit von Virginia Mastrogiannaki greift die Künstlerin auf die Europäische Verfassung und die Reden von Anacharsis Cloots zurück – jenem visionären Revolutionär aus Kleve, der von Beuys als geistiger Verbündeter verehrt wurde. Das Interesse von Maria Stamencović Herranz gilt der Verknüpfung politischer Unruhen und kollektiver revolutionärer Handlungen, zu Beuys‘ Zeiten und in der Gegenwart. Isaac Chong Wai überträgt Beuys’ Interesse an alltäglichen Handlungen und Materialien in ein transformiertes Raumgefüge. Cristiana Cott Negoescu beschäftigt sich mit ritualisierten Handlungen unter inhumanen Arbeitsbedingungen. Ihre Performance verweist auf gesellschaftliche Themen des globalen Kapitalismus. Rubiane Maia spannt den Bogen zwischen den ökologischen Herausforderungen unserer Zeit – einer Frage, die Joseph Beuys bereits früh beschäftigte – und den historischen Handelsrouten des Kolonialismus und der Sklaverei, die unsere Gegenwart bis heute beeinflussen. Francesco Marzano, der zu den Studierenden von Marina Abramović im ersten Jahrgang der Pina Bausch-Professur an der Folkwang Universität der Künste Essen gehörte, kommt ursprünglich aus der Musik. Er wird sich mit dem Rhythmus des individuellen und kollektiven Atmens beschäftigen.
Durch den globalen Dialog zwischen aktuellen Performance-Strömungen und historischen Archivmaterialien entsteht ein einzigartiger Prozess und ein neuer multiperspektivischer Austausch zum Oeuvre von Beuys. Die Ausstellung verbindet Vergangenheit, Gegenwart und Utopien der Zukunft, erforscht das performative Potenzial von Beuys’ Schaffen neu und hinterfragt die Grenzen des Museums.
Bildunterschriften und /-nachweise:
1. Virginia Mastrogiannaki, crypsinus (secretive), 2021 © the artist
2. Marina Abramović, 7 Easy Pieces, Performing Joseph Beuys, How to Explain Pictures to a Dead Hare (1965), Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 2005 Foto: Attilio Maranzano © Courtesy of the Marina Abramović Archives
3. Rubiane Maia, Speirein, 2021 performance © the artist, Foto Manuel Vason
4. Maria Stamenković Herranz, The Metamorphosis of Landscapes, 2021, Long Duration Video Performance, directed by Marina Abramović, Barcelona © the artist
5. Francesco Marzano, Emergency Solos © the artist, Foto: Philip Yakushin
6. Michelle Samba, HMB:MT#, 2023 Fries Museum © the artist, Foto: Aron Weidenaar