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Olaf Nicolai - Ein ungedeuteter Traum ist wie ein ungelesener Brief
22. Mai bis 21. September 2025 ● Köln ● Synagoge Stommeln
Olaf Nicolai hat ein breites Spektrum an interdisziplinären Projekten entwickelt, die elementare Erfahrungen von Raum, Zeit und Körperlichkeit hinterfragen. Als Ausgangspunkt kann ihm ein Science-Fiction-Roman ebenso dienen wie ein klassisches Musikstück, ein spezifischer Ort, eine literarische oder philosophische Schrift. In seinen Arbeiten thematisiert Nicolai oft in spielerischer Weise, wie im Ästhetischen soziale und ökonomische Beziehungen gestaltet und erfahrbar werden. Interessiert an einer Politik der Formen und den Produktionslogiken des Kulturellen ist für ihn der ästhetische Raum jener Ort, wo in der Formatierung der Arbeiten die Bezüge von Sinn und Sinnlichkeit erfahrbar werden können.
Für die Synagoge Stommeln hat Nicolai eine ortsspezifische Performance entwickelt, die von einem Zitat aus dem Talmud inspiriert ist – Ein ungedeuteter Traum ist wie ein ungelesener Brief. Ausgehend von der Synagoge als sozialer Architektur und Ort der Zusammenkunft, reflektiert Nicolai die Bedeutung der Kommunikation – des Sprechens mit- und zueinander, des Lesens und der Diskussion von Texten und der Deutung von Sprache, die an diesem Ort zentral sind. Das titelgebende Zitat verweist auf diese Aktivität: Das Lesen, die Übersetzung und Übertragung. Was bedeutet es, einen Brief zu lesen? Diese Frage führt die von Nicolai für den Ort konzipierte Performance auf poetische Weise vor.
An zehn Tagen zwischen Mai und September performt ein Sänger oder eine Sängerin in der Synagoge ein eigens konzipiertes Gesangsstück. Ausgangspunkt für die Notation der audio-visuellen Performance ist die Flugroute einer Brieftaube, die vor der Performance von der Synagoge zu ihrem Zielort geflogen ist. Ihre Flugroute wird durch einen GPS-Sender getrackt und anschließend in einer Zeichnung notiert. Diese Zeichnung interpretieren die Sängerinnen und Sänger in individueller Weise: Ergänzt durch eigenes Material aus ihrer Beschäftigung mit dem Thema und Ort ihres Auftritts erarbeiten sie sich auf Grundlage der Zeichnung eine Notation, deren Inhalt nur sie selbst kennen – und die in ihrem Gesang erfahrbar wird. Während der Performance ist eine Brieftaube anwesend, welche die Notation als verschlüsselte Nachricht anschließend zurück transportiert. Ihre Flugroute dient dem oder der nächsten Sänger:in als Grundlage für ihre Performance. Die Tauben als Übermittler der Nachricht werden selbst zum Teil der Aktion. Welchen Weg die Tauben nehmen, wohin sie nach der Vollendung ihres Auftrags fliegen, bleibt im Verborgenen, zugleich beeinflusst es das Erlebnis der Performance elementar – Medium, Botschaft und Deutung sind miteinander verschränkt.
Bildunterschriften und /-nachweise:
1. Performance Olaf Nicolai: „SYMPHONY MOVEMENT II (Innere Stimme) in De Vleeshal, Midddelburg, Niederlande © Foto: Friederike Seifert, Courtesy: Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, © VG Bild-Kunst Bonn, 2025
2. Performance Olaf Nicolai: „Escalier du Chant“ in der Pinakothek der Moderne, 30 Jan, 2011 Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin © Foto: Haydar Koyupinar © Pinakothek der Moderne, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, VG Bild-Kunst Bonn, 2025