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Ruhrtriennale

16. August bis 15. September 2024 ● Bochum, Duisburg, Essen ● verschiedene Orte

Die Besucher der Ruhrtriennale 2024 erwartet ein facettenreiches Programm – vom Rock- und Pop Musiktheater mit der Musik von PJ Harvey über eine immersive Musiktheater-Installation mit Chorwerk Ruhr bis zum Slapstick-Operetten-Musical von Herbert Fritsch und Herbert Grönemeyer. Internationale Stars wie Isabelle Huppert und Sandra Hüller stehen genauso im Scheinwerferlicht, wie die Teilnehmenden des Ballroom-Voguing Wettbewerbs „Pump Into The Future Ball“ und die zu Unrecht fast vergessenen Komponisten Julius Eastman und Vicente Lusitano.

Insgesamt gibt es in diesem Jahr 33 Produktionen und Projekte mit 138 Veranstaltungen in Bochum, Duisburg und Essen. Rund 660 Künstler:innen aus 37 Ländern werden dafür ins Ruhrgebiet kommen.

Bérénice
Frei inspiriert von Jean Racines Bérénice bringt Romeo Castellucci eine Adaption dieser klassischen Tragödie in Form eines Monologs der Schauspielerin Isabelle Huppert auf die Bühne. Zwei Liebende müssen sich um des Staates willen trennen: Der römische Kaiser Titus verliebt sich in die jüdische Königin Berenice und entdeckt, dass sie ihn auch liebt. Die Gesetze Roms verbieten ihm jedoch, sie zu heiraten. Hier ist die Liebe das Theater der Grausamkeit. Bérénice ist wahrscheinlich die beunruhigendste Tragödie, die je erschaffen wurde. Und doch rührt sie uns seit Jahrhunderten zu Tränen, als würden wir uns selbst in ihr wiedererkennen. Die Stimme von Isabelle Huppert ist Quelle fast aller Klänge, Geräusche und auch der Stille in dieser Aufführung, die von dem Klangkünstler Scott Gibbons verarbeitet wurde.

I Want Absolute Beauty
Mit "I Want Absolute Beauty" eröffnet Intendant Ivo Van Hove die Ruhrtriennale 2024.
Eine Frau. Ihr Weg. Ihre Entscheidungen. Sandra Hüller singt und spielt die Hauptrolle und begibt sich dabei auf eine Reise durch extreme emotionale und mentale Landschaften. Sie wird begleitet von dem Künstler:innen-Trio (LA)HORDE – Marine Brutti, Jonathan Debrouwer und Arthur Harel. Wir folgen den Versuchen der Protagonistin, sich selbst zu verwirklichen und soziale Rollen und Erwartungen zu überschreiten. In jeder Begegnung, jeder Beziehung, jeder Stadt erfindet sie sich neu. Diese eindringliche Musiktheaterproduktion zeigt, wie man Hindernisse überwindet, daran wächst und schließlich akzeptiert, dass man das Leben nur so nehmen kann, wie es kommt. Und dass es sich wirklich gut anfühlen kann!

LEGENDE
„LEGENDE“ erzählt von der Welt des ebenso berühmten wie im Westen nahezu unbekannten Filmregisseurs Sergey Paradjanov. Seine Werke, unter anderem zitiert von Lady Gaga, sind von einer faszinierenden künstlerischen Vielfalt. In seinen Filmen erweckt er Erzählungen und Legenden verschiedenster Herkunft zu neuem Leben. LEGENDE ist keine weitere Biografie eines bedeutenden Künstlers: Serebrennikovs Text arbeitet mit der Bildsprache Paradjanovs und zeigt seine Welt als Projektionsfläche unserer Sehnsüchte. Ihre poetische Verflechtung spricht von Welten der Farben und Bilder und des Ringens um die Einzigartigkeit der Menschen und der verschiedenen Kulturen. Es sind ewige Geschichten von Freiheit und dem Kampf um sie, von Schönheit und vom Sieg des Lebens über den Tod.

Y
Inspiriert von Kunstwerken aus der Sammlung des Museum Folkwang in Essen erforscht Anne Teresa De Keersmaeker die Macht der Fragen. Der Titel steht für die Frage „Why“, also „Warum?“. Die Choreografin beschäftigt sich mit Künstlern wie Édouard Manet, Barnett Newman, Mark Rothko und Caspar David Friedrich, um die Spannung zwischen Figuration und Abstraktion durch die Linse des menschlichen Körpers zu betrachten. Das Publikum kann den Tänzer:innen frei im Raum folgen.

Futur Proche
Wie wird unsere Zukunft aussehen? Eine klare Antwort darauf gibt es nicht, aber wir können versuchen, sie gemeinsam zu gestalten. Futur Proche ist der Versuch, einen Ausdruck für unsere unmittelbare Zukunft zu finden. Große Herausforderungen wie der Klimawandel, Epidemien und Kriege erfordern unser Handeln. Mit Futur Proche lässt uns der Choreograf Jan Martens über mögliche Alternativen für unsere zukünftige Welt nachdenken. Die Tänzer:innen des Opera Ballet Vlaanderen verkörpern eine getriebene, aber innige Gemeinschaft in einer zunehmend bedrohlichen Umgebung. In ihrer Mitte spielt die Cembalistin Gośka Isphording live ihr Instrument mit blitzschnellen Fingern zu mächtigen Rhythmen. Sie lenkt den Tanz zu erschöpfenden Höhen. Danach folgt Erleichterung. Sind wir in der Lage, gemeinsam Veränderungen herbeizuführen?

À la carte
Wollten Sie schon immer einmal einen Tanzabend gestalten? À la carte besteht aus längeren und kürzeren Szenen, deren Reihenfolge nicht festgelegt ist. Im Gespräch mit dem Publikum treffen die Tänzer:innen spontan eine Auswahl an Requisiten, Musik und verschiedenen Tanzstilen, so als ob sie gemeinsam ein vielfaltiges Menü kochen würden. Auf diese Weise wird jeder Abend zu einem einzigartigen Erlebnis sowohl für das Publikum, als auch für die Tänzer:innen. Mit dem griechischen Choreografen und Tänzer Ioannis Mandafounis als neuem künstlerischen Leiter präsentiert die Dresden Frankfurt Dance Company einen frischen Blick auf Choreografie als demokratischen Prozess.

Guintche (Live Version)
Nach einem Jazzkonzert zeichnete Marlene Monteiro Freitas eine kleine Figur, die sie „guintche“ nannte. In ihrer Muttersprache, dem kapverdischen Kreol, bezeichnet dieses Wort einen Vogel, eine Sexarbeiterin oder auch eine Haltung. 2010 erweckte die Choreografin dieses hybride Bild, Produkt ihrer Fantasie, in einem Solo zum Leben. Als grinsende Figur mit hervorquellenden Augen und herausgestreckter Zunge, mit verrückten Hüftschwüngen in Wrestlerkleidung oder als Tänzerin mit behandschuhten Händen elektrisiert sie die Bühne. Jetzt ergänzt durch die Live-Energie von zwei ungehemmten Schlagzeugern, verdichten sich das Groteske, das Karnevaleske und die Gegensätze zur Welt dieser Künstlerin.

City of Refuge IV
Eine begehbare Installation über die Dualität der menschlichen Natur
Wir alle brauchen Sicherheit, gleichzeitig sehnen wir uns nach Freiheit. Inspiriert von diesem Gegensatz, verwandelt Berlinde de Bruyckere die Turbinenhalle in eine begehbare Installation. Der Titel ist einem Lied von Nick Cave entnommen, welches seinen Ursprung in einem Gospelsong von Blind Willie Johnson hat. „City of Refuge IV“ will alle Schutzsuchenden und diejenigen, die ihnen Schutz gewähren, würdigen, zu Mitgefühl und Empathie aufrufen und die Dualität der menschlichen Natur untersuchen. Symbolisiert wird dies durch zwei Schutzengel-Skulpturen, die die klangvolle und audiovisuelle Installation einrahmen. Weit davon entfernt, freundlich und hilfsbereit zu sein, lassen diese schweren Figuren sowohl Leid als auch Hoffnung erahnen.

Erased Music: Julius Eastman
Julius Eastman ist der erste Künstler der neuen Erased Music Reihe, die sich über die nächsten drei Jahre erstreckt. Damit macht er den Anfang einer Serie von zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Musiker:innen, die hier wieder in den Fokus gerückt werden sollen. Eastman war ein US-amerikanischer Komponist, Pianist und Sänger. Er schrieb Minimal Music viel aggressiver und eindringlicher als seine berühmten Kollegen Philip Glass und Steve Reich. Der homosexuelle Afroamerikaner starb 1990 und hinterließ Werke wie Evil N****r oder Gay Guerilla. Gespielt werden die Stücke vom Grammy-nominierten Ensemble Wild Up aus Los Angeles, das sich auf Eastmans Musik spezialisiert hat.

Brave New Voices
Literatur schafft Narrative und gründet Orte der Zuflucht. Orte, die von Utopien erzählen, von Dystopien oder von Reflexionen einer Welt. Sie konfrontiert uns und sie stellt Fragen. Sie hat das Potenzial zu verbinden, zu provozieren und neue Perspektiven zu eröffnen. In der Reihe „Brave New Voices“ wird die Jahrhunderthalle jeden Sonntag zu einem poetischen Refugium, in dem Autor:innen der neuen Generation, unter anderem Édouard Louis und Jeremy O. Harris über den Prozess des Schreibens sprechen und gesellschaftliche Zustände anhand ihrer Texte kontextualisieren.

Little Ears, Tiny Feet
In der neuen Formatreihe „Little Ears, Tiny Feet“ erleben Kinder bis sechs Jahre und ihre Familien eine Performance, die spielerisch ihre Sinne anspricht. In vertrauensvoller Atmosphäre nehmen sie an einer fantasievollen Aufführung mit Musik und Tanz teil. Das belgische Theater De Spiegel präsentiert mit AORTA ein Stück für Kinder ab neun Monaten, das den Motor der Bewegung erforscht. Musikalische Themen von Debussy bis Schubert begleiten diese Suche. Nach der Aufführung erkundet das junge Publikum den Bühnenraum zusammen mit den Darsteller:innen. Denn Neugier ist einer der besten Motoren!

ruhrtriennale.de

Bildunterschriften und /-nachweise:

1. Anne Teresa De Keersmaeker © Johan Jacobs

2. PJ Harvey © Steve Gullick

3. The legend © Sergey Parajanov Museum

4. Bérénice, Isabelle Huppert © Jean Michel Blasco

5. Futur Proche © Pippa Samaya

6. À la carte, Dresden Frankfurt Dance Company, v.l.n.r.: Nastia Ivanova, Samuel Young-Wright © Dominik Mentzos

7. Gunitche (Live Version), Marlene Monteiro Freitas © José Caldeira

8. Berlinde De Bruyckere, ARCANGELO, Diözesanmuseum Freising, 2022 © Diözesanmuseum Freising, Thomas Dashuber

9. Julius Eastman © Marbeth

10. Jeremy O Harris © Micaiah Carter

11. Little Ears, Tiny Feet © Senne van Loock