ausstellung
Soshiro Matsubara – Sleeves of Desire
Bis 31. August 2025 ● Dortmund ● Dortmunder Kunstverein
Soshiro Matsubaras Ausstellung Sleeves of Desire spielt mit den Nuancen zwischen Verlangen, Begehren und Sehnsucht und deren Bezug zum Anderen: Das Andere als der ewige Horizont, den man nie erreicht und Begehren als das Begehren dieses Anderen.
Soshiro Matsubara überträgt die Fantasien des Begehrens in eine Mischung aus eigenen Arbeiten und gefundenen Objekten, Antiquitäten, eigenen und fremden ergänzten Zeichnungen, von Innen nach Außen, vom Liebespaar zur narzisstischen Erkenntnis im eigenen Spiegelbild. Der Titel meint dabei sowohl den Ärmel des Begehrens als auch seine Hülle, also Sleeve im Sinne beispielsweise der Schallplattenhülle: Als äußeres Erscheinungsbild für die Melodie des Kapitalismus; als begehrenswerte Oberfläche für den Verkauf; als Visual des Konsums – das gleichzeitig ein viel tieferes unbefriedigtes Gefühl weiterträgt. Dabei reflektiert er nicht nur die Nachbarschaften von Begierde, Eros und Tod, sondern auch die Vereinnahmung von Begierde durch Kapitalismus, als dem dauernden Stimulus, dem obszönen Selbstzweck ohne Geheimnis. Längst hat der Eindruck, gekaufte Dinge könnten menschliche Träume erfüllen, das Alltagsleben mit seinem Warenfetisch betäubt. Wie der Philosoph Byung Chul Han in „Agonie des Eros“ beschreibt, ist das Verlangen längst ein narzisstisches geworden, das die Tür zur großen Depression öffnet, statt das Spielerische, Erotische des Anderen wirklich als Dialog zu verstehen.
Mit den eigens vor Ort malerisch bearbeiteten, großformatigen Stoffen sowie einer mehrteiligen Serie von Zeichnungen auf gefundenem Papier, Antiquitäten und Keramikobjekten schafft der Künstler für Sleeves of Desire einen Raum, der die Besuchenden wie ins Innere des eigenen Körpers versetzt: Schallschluckende Raumatmosphäre trägt dazu genauso bei wie die ochsenblutrote Farbe der Vorhänge, die die Fenster wie den Blick von innen gegen geschlossene Augenlider wirken lässt. Die Gesamtgestaltung des Raums spürt dem Begehren nach, als ‚ortlose Utopie des ganz Anderen‘
Durch eine Vielzahl kunsthistorischer Referenzen arbeitet Soshiro Matsubara mit dem Unheimlichen der Lücke zwischen Darstellung und Dargestelltem: Eine Puppe, die in ihrer verführerischen Pose an Édouard Manets ‚Olympia‘ erinnert, ist versehrt und liegt mit abgehacktem Fuß in einer antiken Vitrine als gläsernem Sarg. Referenzen zu europäischen neoklassischen oder symbolistischen Malern zur Jahrhundertwende lassen sich in den Zeichnungen entdecken. Sowie verschiedene Anspielungen auf den österreichischen Maler Oskar Kokoschka, der von seiner verflossenen Liebe, Alma Mahler, eine Plüschpuppe anfertigen ließ, um die gemeinsame Zeit weiter nachleben zu können. Die Ausstellung spiegelt durch die sorgfältige Inszenierung eine Sehnsucht nach dieser Zeit, die auf der Schwelle in eine neue Epoche stand: In Wien, wo Soshiro Matsubara heute lebt, begann die Psychoanalyse sich dem Eros zu widmen, Begehren in Worte und Konzepte zu verpacken, die später in Werbung und Marketing ihre Weiterentwicklung erfuhren.
Mit Sleeves of Desire schafft Soshiro Matsubara eine Spannung zwischen dem Hier und Jetzt, dem Dann und Dort, dem Objekt und dem Subjekt: Zwischen dem behaupteten Ort, der die gesamte Installation ist und dem Außenraum. Zwischen einer vergangenen Zeit und der Gegenwart, als Begierde, Sehnsucht und Unmöglichkeit. Die Ausstellung selbst wird somit zu einer Begegnung mit der erotischen Anziehungskraft der Vergangenheit. Sie setzt sich in den Werken selbst fort, wenn der Künstler auf Flohmärkten und in Antiquitätenläden gefundene Kunstwerke mit eigenen Zeichnungen ergänzt und vervollständigt. Oder wenn er Second-Hand-Vasen zu Torsos für eigene Keramikköpfe werden lässt – Hybridwesen zwischen Kunstobjekt und Alltagsgegenstand, Dekorationsobjekt und einem dargestellten menschlichen Körper. Es ist der Versuch der Verschmelzung mit einer vergangenen Zeit, der Geste eines Anderen, die Berührung mit dem Unbekannten als Objekt der Begierde. Die Verbildlichung und Dingwerdung der Nachbarschaft von Eros und Tod.
Bildunterschriften und /-nachweise:
1. bis 6. Installationsansichten "Soshiro Matsubara – Sleeves of Desire" Dortmunder Kunstverein, 2025 © Foto: Jens Franke