ausstellung

Size Matters

Bis 20. Mai 2024 ● Düsseldorf ● Kunstpalast

Alles verändert sich, wenn in Bildwelten am Größenregler gedreht wird: Dinge werden hervorgehoben, aus dem Zusammenhang gerissen, überhöht und umgedeutet. Sie rücken nah heran, werden studierbar, oder verschwimmen vor den Augen. Von allen Medien vermag die Fotografie am einfachsten ihren Umfang zu ändern, kann leichtfüßig zum Großbild auf Museumswänden und Plakatträgern anwachsen aber auch zum Thumbnail auf dem Handyscreen schrumpfen. Sie schafft traditionell Miniaturen der Welt, kann die Dinge aber ebenso lebens- und überlebensgroß zeigen und Unsichtbares sichtbar machen. Eine immense schöpferische Kraft, aber auch die Möglichkeit der Manipulation liegt in der Skalierung von Bildgegenständen und Bildformaten.

Seit den Avantgarden der 1920er-Jahre und bis in die Gegenwart fordern Künstler:innen die Latenz der Größe in der Fotografie heraus. Sie befreien durch Skalierung Genres wie die Sachfotografie oder das Porträt von allen Funktionen, lösen in Stillleben Dinge aus ihren Kontexten und laden sie mit alternativen Bedeutungen auf. Sie bringen in Close-ups Details zur Geltung und eröffnen völlig neue Sichtweisen. Als künstlerisches Werkzeug und ästhetisches Prinzip entfaltet die fotografische Skalierung eine ganz eigene Kraft.

Das Großfoto vermag in der Galerie Exklusivität und einen hohen Marktwert zu versinnbildlichen. Im öffentlichen Raum überwindet es Distanzen und beeinflusst Konsumentscheidungen wie auch politische Meinungen. Das kleine Bild befördert die Erinnerung, konnte als winziger kolorierter Albuminabzug in Medaillons und Broschen nah am Herzen getragen werden und wird heute als Thumbnail in der Photo Library des Smartphones in der Hosentasche mit sich geführt. Ob als Abzug oder komprimierter Datensatz ist das kleine Bild sammel- und speicherbar.

Ab wann ist ein fotografisches Bild überhaupt groß, wann ist es klein? Größe entsteht nur im Verhältnis. Zwischen Bildern und den Körpern derer, die sie betrachten, zwischen Bildern und anderen Bildern, die einander im Auge der Betrachtenden übertrumpfen oder nebeneinander untergehen können. Zwischen Abmessung und Information, wodurch im technischen Bildmedium Schärfe und Unschärfe entsteht und nicht zuletzt zwischen Bildern und der Wirklichkeit. Denn an der Wirklichkeit wird die Fotografie nach wie vor hartnäckig gemessen. Ob in Skepsis oder Zutrauen ist die Realität feste Bezugsgröße in der Rezeption fotografischer Bilder. Ihrem Ruf zum Trotz, die Wirklichkeit abbilden zu können, wie sie ist, verkleinert die Fotografie die Dinge in der Regel massiv.

kunstpalast.de

Bildunterschriften und /-nachweise:

1. Andrzej Steinbach, Ohne Titel (Aus der Serie: Auto Erotik), 2022, Tintenstrahldruck, 90 × 60 cm, Privatsammlung, © Andrzej Steinbach, VG Bild-Kunst, Bonn

2. Karl Blossfeldt, Dipsacus laciniatus. Weberdistel, 4mal vergrößert, 1900–1928, Silbergelatineabzug (Abzug 1975), 26 x 20,2 cm, Kunstpalast, Düsseldorf

3. Wolfgang Tillmans, Kunstverein, 2007, Edition of 1 + 1 AP (EP), ungerahmter Tintenstrahldruck, 138 × 207,5 cm, Courtesy Galerie Buchholz

4. Alex Grein, Prunus Laurocesarus, 2018, Chromogener Farbabzug, 43,2 × 33 cm, © Alex Grein, Courtesy Galerie Gisela Clement, Bonn

5. Kathrin Sonntag, Dinge im Hintergrund #4, 2022, Tintentstrahldruck, 110 × 73 cm, © Kathrin Sonntag, Courtesy Kadel Willborn, Düsseldorf